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1x1 des Lernens

Plakate malen, Spickzettel schreiben und zur Not auch mal eine Nachtschicht einschieben? Prof. Dr. Frank Fischer, Psychologe und Experte für Lernstrategien an der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität, bewertet für die HERZKAMMER die populärsten Lern-Methoden und erklärt, welche Lernstrategien wirklich funktionieren.

 

Foto. ismagilov – iStock-Photo

Rechtzeitig anfangen / Zeitmanagement

Gute Idee! Die Forschung zeigt auch, warum das so ist: Es gibt Regeln, wie man das Lernen am besten über die Zeit verteilt. Zwischen zwei Lernphasen sollte man unbedingt eine Pause einlegen. Wenn Sie noch 80 Tage bis zur Prüfung haben, ist es nicht schlecht, nach einem Lerndurchgang acht bis zehn Tage Pause zu machen. Wenn man den Stoff dann wieder aufgreift, ist er noch nicht ganz in Vergessenheit geraten; man muss ihn wieder neu abrufen. Heute geht man davon aus, dass der Abruf besonders wichtig für das Lernen ist – und zwar am besten in der Form, in der die Inhalte dann in der Prüfung getestet werden. Wenn man schon weiß, wie die Prüfung aussieht, dann sollte man sie einige Male simulieren mit Pausen zwischendrin, die etwa 10 Prozent der verbleibenden Lernzeit lang sind, also zum Beispiel zwei Tage Pause, wenn ich noch 20 Tage bis zur Prüfung habe.

Das heißt natürlich nicht, dass man nicht auch lernen kann, wenn man spät anfängt. Natürlich kann man acht Stunden am Stück pauken und hat unter Umständen Erfolg damit. Der Nachteil ist aber, dass das Wissen dann nicht lange erhalten bleibt. Einfach deshalb, weil es nicht regelmäßig abgerufen wurde.

 

Foto: CSU-Fraktion

Lernplan machen

Ebenfalls eine gute Idee! Ein Lernplan ist optimal, wenn man verschiedene Inhalte hat. Am besten verschiedene Sachen mischen und nicht allzu Ähnliches hintereinander lernen. Nicht jedes Thema ist gleich angenehm. Hier sollte man sogenannte Stützstrategien einbauen. Sprich: Wie belohne ich mich danach? Vielleicht mit einem Kinobesuch. Außerdem wichtig: Man sollte nicht allzu ungnädig mit sich selbst sein, wenn man es nicht schafft, den Plan einzuhalten. Wichtig ist, dass man das Ziel gut im Blick behält und dann seine Strategie dementsprechend anpasst.

 

Foto: CSU-Fraktion

Texte zusammenfassen / mit Farbe arbeiten

Studien haben gezeigt, dass Markieren und Unterstreichen wenig nützlich sind. Zu einem Zeitpunkt, wenn man Lernstrategien besonders dringend braucht, weiß man prinzipiell noch zu wenig. Und wenn man wenig weiß, unterstreicht man viel zu viel, weil man Wichtiges nicht von Unwichtigem unterscheiden kann. Die Forschung argumentiert sogar so, dass es negative Effekte haben kann, weil man in der Zeit nichts Sinnvolles macht. Wenn man trotzdem an dieser Strategie festhalten möchte, würde ich empfehlen, nur einen Satz pro Seite oder pro Kapitel zu unterstreichen. Der Prozess, der dorthin führt, bringt einen dann eher weiter, auch wenn der unterstrichene Satz vielleicht nicht wirklich der allerwichtigste war. Ähnlich verhält es sich mit Zusammenfassungen. Wenn man weiß, wie man sie schreibt, können sie sehr effektiv sein. Wenn man darin nicht geübt ist, kann ich diese Strategie eigentlich nicht empfehlen. Dazu ein Tipp: Wenn man systematisch an das Thema herangehen möchte, dann sollte man zunächst eine lange Zusammenfassung machen, vielleicht 500 Wörter. Dann halbiere ich das Ganze und so weiter. Bis ich zum Schluss bei einem Satz ankomme: Das ist dann der Kern. Diesen Satz selbst sollte man ebenfalls nicht zu ernst nehmen. Aber während des Prozesses muss man sein Langzeitgedächtnis bemühen. Man muss sein Wissen aktivieren und abrufen und das bringt den eigentlichen Lernprozess in Gang.

 

Foto: CSU-Fraktion

Merkhilfen

Ich kenne jemanden, der eine ganze universitäre Prüfung nur mit Memotechniken bestanden hat. Die Methode der Orte beispielsweise: Man stellt sich seinen eigenen Schulweg vor und legt bestimmte Aspekte eines Themas an vertrauten Orten ab. So kann man sich eine ziemlich große Menge an Inhalten merken. Während ich mit dem normalen Arbeitsgedächtnis vielleicht drei oder vier Aspekte gleichzeitig aktiv haben und weiter einer Vorlesung folgen kann, kommt man mit Gedächtnistricks locker auf 20 oder 30 Dinge – allerdings nur relativ kurzfristig. Wenn es um Einzelfakten geht und man nur wenig Zeit hat, dann ist das vielleicht die richtige Strategie. Eselsbrücken sind dann wichtig, wenn man versucht, sein Vorwissen zu aktivieren, weil einem gar nichts zu einer bestimmten Sache einfällt. Das sind zwar dann oft keine sinnvollen Zusammenhänge; trotzdem schafft man es damit, einzelne Inhalte vor dem ersten Vergessen schon im Arbeitsgedächtnis nach 30 Sekunden zu retten. Ins Langzeitgedächtnis kommt nur das rein, was anknüpfbar an etwas ist, was ich schon weiß. Es ist keine sinnvolle Strategie, die ich auf viele Inhalte in Schule oder Universität anwenden kann, aber sie kann mir helfen, wenn ich mir schnell etwas merken muss.

 

Foto: CSU-Fraktion

Lernstoff wiedergeben / Visualisieren

Damit wird der Abruf aus dem Langzeitgedächtnis geübt. Auch neueren Analysen zufolge funktioniert das für vieles sehr gut. Wenn ich vor der Wahl stehe, das Kapitel vor dem Schlafengehen noch einmal zu lesen oder lieber ein leeres Blatt mit dem zu beschreiben, was ich noch weiß, dann sollte ich Zweiteres machen. Ist die Prüfung ein Multiple-Choice-Test, dann sollte auch in diesem Format der Lernstoff wiedergegeben werden. Ich selbst visualisiere auch viel. Die Forschung zeigt, dass es davon abhängt, was man visualisiert. Es gibt Bereiche, die sind gut visualisierbar – wenn es beispielsweise um ein Organigramm geht. Generell kann man sagen, dass es nur dann eine gute Lernstrategie ist, wenn man weiß, was sich gut visualisieren lässt. Auch hier wäre es wichtig, sich vorzuqualifizieren. Die Abrufstrategie dagegen ist relativ unabhängig vom Kontext.

 

Foto: CSU-Fraktion

Lerntag strukturieren

Zum Beispiel vormittags alleine / nachmittags den Stoff gegenseitig mit Freunden prüfen / abends eine Pause machen oder Lücken füllen.

Könnte ein guter Plan sein (lacht). Es hängt davon ab, ob man sich überhaupt einen Plan macht, Ziele steckt und die richtige Lernstrategie anwendet. Lernstrategien sollten so eingesetzt werden, dass einem der Nutzen klar wird. Jeder, der lernt, sollte in die Situation gebracht werden, dass er merkt, dass sich der Mehraufwand lohnt. Das ist schon die erste Hürde. Manche haben Misserfolge in Schule und Studium und sind dann motiviert, etwas auszuprobieren. Leider ist aber die Anwendung von Lernstrategien am Anfang noch nicht so erfolgreich, manche schneiden sogar schlechter ab und beerdigen diese Strategie dann wieder. Lernstrategien brauchen selbst auch Übung und ich muss mir dafür Zeit geben. Kurz vor der Prüfung eine neue Lernstrategie lernen ist also nicht empfehlenswert. Mit anderen zu lernen ist auch eine Lernstrategie: Kooperation funktioniert manchmal wunderbar, ansonsten kann man mit einer vorgegebenen Struktur nachhelfen. Es funktioniert beispielsweise gut, kleine Rollen zu vergeben und diese auch ab und zu abzuwechseln.

 

Foto: CSU-Fraktion

Belohnung – mit Schokolade?

Man kann sagen, das ist die billigste Methode der Motivation. Die Lernforschung unterscheidet zwei Arten von Motivation: Die intrinsische und die extrinsische. Gummibärchen wären beispielsweise extrinsische Motivation. Intrinsische Motivation bedeutet, dass ich lerne, weil es mir Spaß macht. Nicht, dass ich damit etwas erreichen will, was toll ist, sondern das Lernen für sich bereitet mir Freude. Menschen, die extrinsisch motiviert sind, wenden häufig nur oberflächliche Lernstrategien wie etwa Vokabelkärtchen wiederholen an.

 

Foto: CSU-Fraktion

Am letzten Tag vor der Prüfung nur noch Spickzettel schreiben, diese aber zu Hause lassen

Spickzettel sind ein wunderbares Beispiel für die Abrufstrategie. Wenn ich mir nicht sicher bin, kann ich ihn ja ein weiteres Mal schreiben. Am besten einen Tag dazwischen warten. Wenn man das ein- oder zweimal macht, wird man den Spickzettel gar nicht mehr brauchen.

 

Foto: CSU-Fraktion

Ausreichend Schlaf: Keine Nachtschicht vor der Prüfung

Die Frage ist doch, was während des Schlafens mit dem Langzeitgedächtnis passiert. Was die Forschung angeht, ist dieser Bereich noch ziemlich am Anfang. Vieles von dem, was man tagsüber lernt, wird in andere Hirnbereiche transferiert, das Wissen wird umstrukturiert. Man spricht hier auch von Gedächtniskonsolidierung. Es gibt im Augenblick noch zwei sehr gute Erklärungen dafür. Die eine sagt, dass Konsolidierung überwiegend während des Schlafs passiert. Die andere sagt, dass Lernen besonders in Zeiten hoher Aktivierung stattfindet – und viele Lerner sind eben am Abend besonders aktiv. Ich kenne zu viele Leute, die erfolgreich Nachtschichten vor Prüfungen eingelegt haben, als dass ich sagen könnte, das funktioniert nicht. Bevor man unvorbereitet in die Prüfung geht, würde ich fast sagen, ich würde es mit einer Nachtschicht probieren. Das schnell vor der Prüfung noch Gelernte wird aber sehr schnell vergessen.

 

Foto: CSU-Fraktion

Der besondere Lern-Tipp von Herrn Prof. Dr. Fischer

Es gibt neben der Abruf-Strategie noch eine, von der man weiß, dass sie breit anwendbar ist und für viele Inhalte funktioniert: die sogenannten Selbsterklärungen. Es gibt viele Studien, die besagen, dass es für Anfänger viel sinnvoller ist, mit Beispiellösungen zu lernen, die jeden Schritt einer Problemlösung zeigen, aber nicht erklären, warum dieser Schritt gemacht wurde. Beim Mathelernen wären das Schritte in einer Problemlöseaufgabe. Die Aufgabe der Lernenden wäre dann, zu erklären, warum diese Schritte gemacht wurden. Weniger sinnvoll ist dagegen, Lernende mit noch wenig Vorwissen direkt das ganze Problem bearbeiten zu lassen. Das belastet das Arbeitsgedächtnis stark. Anfänger können nicht zu viele Informationen gleichzeitig in ihrem Arbeitsgedächtnis behalten und zusätzlich lernen. Deshalb kommt es dann manchmal zu guten Problemlösungen und trotzdem bleibt das Lernen aus.

 

Prof. Dr. Frank Fischer ist Professor für empirische Pädagogik und pädagogische Psychologie an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Der Lernexperte beschäftigt sich unter anderem mit dem Einsatz digitaler Medien im Unterricht und mit kollaborativem Lernen.

 

Foto: CSU-Fraktion; Prof. Dr. Frank Fischer: Ludwig-Maximilians-Universität München
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