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Bildung ist Entwicklungspolitik



Damit Entwicklungszusammenarbeit auf Dauer erfolgreich ist, braucht es aus meiner Sicht einen echten Paradigmenwechsel: Die Menschen in Afrika brauchen vor allem passgenaue Lösungen, die auf die Besonderheiten des jeweiligen Landes abgestimmt sind. Wir müssen ganz genau hinschauen, welche Voraussetzungen – etwa für den Aufbau eines Schulsystems – in den einzelnen Ländern vorhanden sind.

So ist der Bau von Schulen dann effektiv, wenn ein Land auch über einen geschlossenen Bildungskreislauf verfügt. Denn dieser verhindert, dass die Schüler nach ihrem Abschluss gewissermaßen in der Luft hängen, weil sie keine Möglichkeit haben, im Land zu arbeiten. Wenn die im Land vorhandenen Strukturen in Wirtschaft oder Verwaltung den Schulabsolventen keine Möglichkeiten bieten, nehmen viele Schulabgänger den Weg ins Ausland: im südlichen Afrika Richtung Republik Südafrika, im mittleren und vor allem westlichen Afrika Richtung Europa, nicht zuletzt auch nach Deutschland. Eine nachhaltige Bildungspolitik in Afrika muss daher mehr umfassen als nur die Errichtung und den Betrieb von Schulen.

Gleichzeitig ist es wichtig, in den traditionellen Clans und Stämmen immer wieder für die Akzeptanz von Bildung zu werben. Dies ist teilweise ein äußerst langwieriger Prozess, denn durch Bildung werden ja auch traditionelle Lebensformen in den Stämmen in Frage gestellt.

Neben kulturellen Hindernissen, die oft erst überwunden werden müssen, sind es schließlich auch ganz einfache Dinge, die verhindern, dass junge Menschen in Schulen gehen können. Wasser zu holen ist in Afrika seit jeher Aufgabe der Frauen und Kinder, die nächste Quelle ist oft bis zu 20 Kilometer entfernt. Eine funktionierende Wasserversorgung tritt damit in einen direkten Zusammenhang mit der Chance auf Bildung. Und ein dauerhafter Schulbetrieb ist natürlich nur in einem sicheren Umfeld möglich. Innere und äußere Sicherheit sind für die Entwicklung der Länder Afrikas daher DIE Grundvoraussetzung. Das Zitat des Innenministers von Niger, Mohamed Bazoum, spricht hier Bände: „Baut die Schulen morgen, errichtet die Brunnen morgen, heute brauchen wir Munition, um unsere Polizisten auszubilden und um Terroristen bekämpfen zu können."

Ähnliches gilt für die Infrastruktur. Hier braucht es manchmal nur eine gute und einfache Idee – wie vom „Verein Fahrräder für Afrika", der in einigen Dörfern in Namibia aktiv ist. Die Schüler bekommen ein Fahrrad, um die 20 Kilometer bis zur Schule bewältigen zu können.

Knapp 90 Prozent der Afrikaner leben von der Landwirtschaft. Bildung in diesem Bereich bedeutet in erster Linie: neue Anbaumethoden und Vermarktung. Wenn die Menschen vor Ort lernen, wie sie ihre Produkte besser vermarkten können, verbessern sich automatisch auch die Lebensumstände bei der Landbevölkerung. Ein flächen-deckendes Schulsystem mit dem Schwerpunkt Agrarbildung wäre hier eine wichtige Hilfestellung. Ein Beispiel für neue Wege in der Landwirtschaft gibt es in Burkina Faso: Eine private Initiative um Häuptling Kwadu Tonge baut dort jetzt die Mungobohne an, eine Hülsenfrucht aus Indien mit sehr hohem Ertrag und Eiweißgehalt.

Neben Kindern und Jugendlichen sind Frauen eine überaus wichtige Zielgruppe im Bildungsbereich. Die Geburtenrate pro Frau liegt in bildungsarmen Ländern wie beispielsweise Niger bei zehn Kindern. Bei Frauen mit Schulabschluss reduziert sich die Geburtenrate drastisch auf im Durchschnitt zwei Kinder. Angesichts der sich heute schon abzeichnenden Bevölkerungsexplosion – bis zum Jahre 2050 erwartet man eine Verdoppelung der Bevölkerung auf zwei Milliarden Menschen – hat Bildung einen entscheidenden Einfluss auf die weitere Entwicklung des Kontinents. Bildung verbessert die Lebensumstände von Frauen auch im alltäglichen Leben – zum Beispiel, was die Unversehrtheit des eigenen Körpers betrifft – und wird so zum Schlüssel für ein menschenwürdiges Leben. Bei meinem letzten Besuch in Tansania haben mir bei der Eröffnung einer Schule in der Massai-Steppe die anwesenden Frauen begeistert berichtet, wie sehr Bildung ihr Leben – und das Leben ihrer Kinder – zum Positiven verändert.

Burkina Faso heißt übersetzt: „Das Land der stolzen Männer". Ein langjähriger Abgeordneter des dortigen Parlaments sagte vor Kurzem zu mir: „Ihr Europäer müsst weg von eurer Meinung, dass wir rückständig und dumm seien. Wir wissen sehr genau um die Zusammenhänge in Afrika und in dieser Welt. Wir brauchen und wollen eure Hilfe – aber auf Augenhöhe!"

 

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Seit 20 Jahren unterstützt Klaus Steiner, MdL, eine Schule vor Ort und den Bau einer Wasserleitung vom Kilimandscharo, damit die Kinder von der Pflicht des Wasserholens befreit sind und zur Schule gehen können.
@Aktionskreis Ostafrika e.V.



Entwicklungspolitisches Engagement des Bayerischen Landtags

 

Vor dem Hintergrund der Flüchtlings- und Zuwanderungsproblematik hat der Bayerische Landtag beschlossen, sich in der Entwicklungszusammenarbeit und Fluchtursachenbekämpfung zu engagieren. Das Parlament verabschiedete dazu im Februar 2016 „Entwicklungspolitische Leitsätze" und stellte eigene Haushaltsmittel bereit.

Fördergelder des Landtags kommen seit Dezember 2016 bei einem Bildungsprojekt von „Jesuit Worldwide Learning" im nordirakischen Domiz Camp zum Einsatz. Insbesondere jungen syrischen Flüchtlingen soll dort durch Bildungsangebote eine Zukunfts- und Bleibeperspektive eröffnet werden.

Das vom Landtag geförderte Projekt umfasst verschiedene Bildungsbausteine, darunter Sprachkurse in Englisch sowie Stipendien für ein geisteswissenschaftliches Studium, das als Online-Studium absolviert werden kann. Das Diplom wird von der Regis University, einer Universität der Jesuiten in Denver/Colorado, verliehen. Mindestens 50 Prozent der Stipendien – aktuell sind es 25 – werden an Mädchen und Frauen vergeben. Ab diesem Jahr sollen außerdem berufliche Ausbildungsmöglichkeiten im Domiz-Flüchtlingscamp geschaffen werden. Geplant sind einjährige Ausbildungskurse – teils online, teils im Klassenzimmer, teils als Praktikum.

Ein weiteres Land, das im Fokus der Entwicklungszusammenarbeit des Bayerischen Landtags steht, ist Tunesien. Der Maghreb-Staat hat seit der Revolution im Jahr 2011 enorme Kraftanstrengungen unternommen, um den Demokratisierungsprozess im Land weiter voranzutreiben. Bei einem Besuch des Landtagspräsidiums in Tunesien im März 2017 ging es ebenfalls um mögliche Projekte der Entwicklungszusammenarbeit.

„Mit seinem Engagement will der Bayerische Landtag ein Zeichen dafür setzen, dass der Forderung, Fluchtursachen vor Ort zu bekämpfen, immer Taten folgen müssen", erklärt Landtagspräsidentin Barbara Stamm. Der Bayerische Landtag verbindet mit seinen entwicklungspolitischen Initiativen auch die Hoffnung, dass Institutionen und Privatpersonen dem Beispiel des Landtags folgen, denn das Parlament möchte hier Multiplikator sein.

 

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Vom Bayerischen Landtag geförderte Studentinnen und Studenten.
@Jesuit Worldwide Learning, copyright 2018
Bildquelle Header: Aktionskreis Ostafrika e.V.