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Ehrenamt
Sicherheit: Eine gesellschaftliche Aufgabe

Was nur wenige wissen: Nur drei Prozent der Feuerwehrmänner und -frauen in Bayern sind hauptberuflich bei der Feuerwehr beschäftigt. Beim Technischen Hilfswerk sogar nur jeder Hundertste. Rund 450.000 Bürgerinnen und Bürger sorgen in ihrer Freizeit für unsere Sicherheit oder dafür, dass uns in Notsituationen geholfen wird. Sie engagieren sich ehrenamtlich – bei der Feuerwehr, dem Technischen Hilfswerk, im Rettungsdienst oder bei der Sicherheitswacht.

Lucas Anetzberger sitzt im Unterricht, als es plötzlich in seiner Schultasche piepst. Er springt auf und hastet aus dem Unterricht. Kaum ist die Tür hinter ihm ins Schloss gefallen, geht die Schulstunde weiter als wäre nichts gewesen. Alle wissen: Lucas ist auf dem Weg zu einem Feuerwehreinsatz. Lucas Anetzberger erinnert sich an viele solcher Situationen. Der heute 21-Jährige ist inzwischen seit fünf Jahren bei der Freiwilligen Feuerwehr Oberhaching ehrenamtlich tätig. „Die Kameradschaft ist das Wichtigste und das Stärkste, das einen hier hält“, so Anetzberger.

Was motiviert ist der Teamgeist

Der Teamgeist der Einsatztruppe ist für viele junge Menschen zunächst die Hauptmotivation, sich bei Organisationen wie der Feuerwehr oder dem THW zu engagieren. So auch bei Sven Langer, der ursprünglich beim Technischen Hilfswerk nur seinen Grundwehrersatzdienst ableisten wollte. Inzwischen sind daraus 17 Jahre geworden, in denen sich der 36-Jährige beim THW in Dachau engagiert. „Der Gedanke, mit dem eigenen Ehrenamt etwas Gutes zu bewirken, kommt meist erst später dazu“, sagt Langer. „Je älter man wird, desto stärker tritt der Gedanke des Helfens in den Vordergrund.“ Seine Kollegin, die zehn Jahre jüngere Stefanie Koller, pflichtet ihm bei: „Die Gemeinschaft hat mich dazu gebracht, dabei zu bleiben. Jetzt ist es mir wichtig, mich zu engagieren, auch wenn das THW für Frauen eher untypisch ist. Letztlich ist es das Wechselspiel aus gutem Miteinander und Hilfsbereitschaft, das mich begeistert. Helfen wird zum Hobby!“

Ein Hobby jedoch, das vollen Einsatz erfordert und den Freiwilligen einiges abverlangt – nicht nur im Notfall, sondern auch bei den regelmäßigen Übungen. Wir treffen Lucas Anetzberger auf dem Gelände der Freiwilligen Feuerwehr in Oberhaching. Dort befindet sich ein spezieller Übungsraum. Die leerstehenden und mit Brettern vernagelten Regalreihen bilden einen Trainingsparcours. Feuerwehrleute mit Atemschutzgeräten schleppen eine etwa 25 kg schwere Ausrüstung. 15 bis 30 Minuten können sie von den Pressluftatmern mit komprimierter Luft versorgt werden. Danach wird es eng. Im Chemikalien-Schutzanzug bliebe für den Notfall noch die eigene Ausatemluft.

Routine hilft, Stress zu mindern

Das Ehrenamt nimmt im Alltag der Freiwilligen viel Platz ein. Im vergangenen Jahr rückte das THW Dachau durchschnittlich alle vier Tage zu einem Einsatz aus. Oft gelangen die Ehrenamtlichen an die Grenzen ihrer körperlichen Belastbarkeit. Viele von ihnen sind rund um die Uhr einsatzbereit. „Man hat immer den Gedanken, dass etwas sein könnte“, meint Stefanie Koller. „Das Funkmeldegerät ist jeden Tag mit dabei.“ Durch den Einsatz für die Sicherheit anderer verändert sich auch die eigene Risikowahrnehmung: Fluchtwege werden ausgelotet, fehlende Rauchmelder bemängelt.

Aber nicht nur körperlich verlangen die Einsätze den Ehrenamtlichen viel ab. Um psychische Belastungen möglichst gering zu halten, werden junge Ehrenamtliche langsam an schwierige Einsätze herangeführt. Routine und eine klare Hierarchie in der Mannschaft helfen, Stress zu mindern und Verantwortung abzunehmen. Lucas Anetzberger unterstreicht in diesem Zusammenhang die Bedeutung des Zusammenhalts in der Mannschaft: „Bei schlimmeren Einsätzen kann man so viel üben wie man will. Da ist es entscheidend, dass man sich auf die Leute verlassen kann.“

Stefanie Koller sieht das ähnlich: „Routine hat man nicht wirklich. Aber man hat immer eine Mannschaft, die unterstützt und hilft.“ Die notwendige Gelassenheit und Ruhe während der Einsätze kommt mit der Erfahrung. Über das Erlebte wird im Nachhinein gesprochen. Vielen ist dies ein Bedürfnis, um das Gesehene zu verarbeiten. Doch die Bilder bleiben, selbst nach 17 Jahren Einsatzerfahrung beim THW, sagt Sven Langer: „Es gibt Vorfälle, die habe ich immer noch im Kopf, auch wenn sie viele Jahre her sind. Denn  was viele Menschen nicht wissen: das Technische Hilfswerk kommt nicht nur bei Hochwasser oder Sturmeinsätzen. Oft wird das THW von der Feuerwehr nachgefordert oder gemeinsam zu einem Einsatz alarmiert.“

Menschen zu helfen und zu schützen, ist für die Ehrenamtlichen selbstverständlich. Sie wissen, dass es immer schlimmer ist, nichts zu tun als eventuell einen Fehler zu machen. Hilfsbereitschaft darf nicht von Angst überschattet werden, denn Hinschauen und Helfen sind die Grundvoraussetzungen für ein menschliches und verantwortungsvolles Miteinander. Ein Miteinander, das den Bürgern damit auch ein Gefühl von Sicherheit vermittelt.

 

Die Bürger sollen sich sicher fühlen

 

Zivilcourage zeigen, hinschauen und helfen – das hat sich auch die Bayerische Sicherheitswacht auf die Fahne geschrieben. Seit 1994 unterstützen Angehörige der Sicherheitswacht die Polizei bei ihrer Arbeit und sorgen so dafür, dass sich Bürgerinnen und Bürger sicher fühlen. Die Sicherheitswacht zeigt vor allem dort Präsenz, wo Straftaten drohen, die Gefährdung aber dennoch nicht so groß ist, dass Polizeibeamte ständig vor Ort sein müssen, beispielsweise in Parks, größeren Wohnsiedlungen oder in der Umgebung von Haltestellen des öffentlichen Nahverkehrs.

„Wir sind die meiste Zeit zu Fuß unterwegs. So sind wir näher an der Bevölkerung dran und kommen auch eher ins Gespräch. Die Sicherheitswacht wirkt bereits durch ihre Anwesenheit und Erkennbarkeit“, so schildern es Ivica Jerbic und Thomas Handschuch. Beide gehen seit vier Jahren für die Polizeiinspektion 31 in Unterhaching und Taufkirchen auf Streife. Dabei sind die ehrenamtlichen Kräfte der Polizei mit zivilen Befugnissen ausgestattet, die um Identitätsfeststellung und das Recht, einen Platzverweis zu erteilen, erweitert wurden. Bei Vorfällen greift die Sicherheitswacht möglichst proaktiv und deeskalierend ein, um einen Polizei- oder Rettungseinsatz erst gar nicht notwendig zu machen. „Werden wir in Geschehnisse verwickelt, die unser Einsatzspektrum überschreiten, dann dürfen und sollen wir uns zurückhalten und zurückziehen. Wir alarmieren dann die Polizei, beobachten, dokumentieren und geben der Polizei genaue Infos zu Ort und Personen.“ Die Sicherheitswacht dient so als Schnittstelle zwischen Polizei und Bürgern und ist mittlerweile ein fester Bestandteil der bayerischen Sicherheitspolitik.

Alle Ehrenamtlichen – ob bei der Freiwilligen Feuerwehr, dem THW oder der Sicherheitswacht – betonen ihr oberstes Gebot: Die eigene Sicherheit und die der Kameraden steht an erster Stelle. Und dennoch: Würden sie sich nicht für die Sicherheit anderer engagieren, wären sie den Risiken ihres Dienstes gar nicht erst ausgesetzt. „Das Risiko ist immer mit dabei“, erklärt Stefanie Koller, „aber wenn der Funkmelder losgeht, dann denke ich nicht als erstes daran, was mir dabei passieren könnte, sondern daran, dass ich jetzt jemandem helfen muss.“ Sven Langer sieht das ähnlich: „Den Gedanken, das mir jetzt etwas zustoßen könnte, den habe ich gar nicht, weil …“, einen kurzen Moment hält er inne, um zu überlegen, wie er den Satz zu Ende bringen soll, „dann dürfte ich es gar nicht machen.“

Bildquelle Header: Christina Steinbacher