In der Sozialpolitik mischen ganz verschiedene Akteure und politische Ebenen mit: Für Rente und Sozialleistungen, wie zum Beispiel Kindergeld, Hartz IV oder Arbeitslosengeld ist der Bund zuständig, die Kommunen sind verantwortlich für den Bau von Kitas und Jugendeinrichtungen. Wo kann Bayern Einfluss nehmen?
Entscheidend für gute Sozialpolitik ist das Zusammenspiel aller Ebenen: Europa, der Bund, die Länder, die Bezirke und vor allem die Kommunen. Hier sind alle Akteure gefragt.
Beispielsweise ist die Kinderbetreuung eine kommunale Aufgabe. Die Kommunen sind aber nicht auf sich alleine gestellt: Wir unterstützen bei der Investitionskostenförderung mit Sonderinvestitionsprogrammen, mit Finanzausgleich (FAG)-Mitteln und mit einer Betriebskostenförderung.
Natürlich ist es uns in Bayern auch möglich, Einfluss auf andere Ebenen zu nehmen und unsere bayerischen Belange und Ideen einzubringen. Als Ministerin kann ich über Fachministerkonferenzen und auch über unsere Landesgruppe Einfluss beim Bund nehmen.
Ein großes Thema aus Ihrem Verantwortungsbereich ist Familie. Was genau macht Bayern zum Familienland?
Bayern ist Familienland Nummer 1. Wir setzen auf starke Eltern. Kompetentes Erziehungsverhalten garantiert gute Entwicklungschancen für unsere Kinder. Zusammen mit den Landkreisen und Kommunen stärken wir die Eltern. Wir haben bundesweit ein einzigartiges Unterstützungsnetz aus Schwangerschaftsberatungsstellen, Erziehungsberatungsstellen, Ehe- und Familienberatungsstellen, Mütterzentren und Familienstützpunkten sowie Angeboten der Eltern- und Familienbildung – und das flächendeckend im ganzen Land.
Für ein kinder- und familienfreundliches Bayern müssen wir beste Lebens- und Arbeitsbedingungen bieten. Ein herausragender Baustein hierbei ist die Kinderbetreuung: Diese bauen wir bedarfsgerecht und qualitativ hochwertig aus. Außerdem unterstützen wir Eltern finanziell. Um echte Wahlfreiheit bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf sicherzustellen, engagiert sich Bayern mit dem Bayerischen Familiengeld über die Bundesleistungen hinaus. 2021 wurden rund 760 Millionen Euro zur Verfügung gestellt – das ist einmalig im Bundesgebiet!
Darüber hinaus hat der Freistaat Bayern zum 1. Januar 2020 das Bayerische Krippengeld eingeführt. Damit werden Eltern bereits ab dem ersten Geburtstag ihres Kindes mit monatlich bis zu 100 Euro pro Kind bei den Elternbeiträgen entlastet.
In herausfordernden Zeiten wie diesen haben wir besonders Familien in belastenden Situationen im Blick. Familien in Bayern sollen unkompliziert und niedrigschwellig die Hilfe erhalten, die sie benötigen. Unsere Familienstützpunkte und die aufsuchende Erziehungsberatung werden aktuell zu einem dichten Netzwerk ausgebaut.
Kinder und Jugendliche waren von der Corona-Pandemie besonders betroffen. Wie unterstützt Bayern die Erwachsenen von morgen?
Kinder und Jugendliche hat die Pandemie besonders stark eingeschränkt. Sie mussten auf Vieles verzichten: Freunde treffen, Aktivitäten in Vereinen oder der sonst alltägliche Schul- oder Kitabesuch fielen weg. Mit ihrem Verzicht haben sie einen unglaublich wichtigen Beitrag zur Bewältigung der Pandemie geleistet.
Junge Menschen wollen nicht nur gehört werden, sie wollen mitreden und mitgestalten. Die Partizipation von Jugendlichen ist mir deshalb ein besonderes Anliegen. Wir nehmen junge Menschen ernst und eröffnen ihnen Beteiligungsmöglichkeiten bei politischen Themen. Denn „Jugendpolitik“ bedeutet, dass junge Menschen durch ihr Engagement heute entscheiden, wie unsere Gesellschaft morgen aussehen wird.
Mit dem „Aktionsplan Jugend“ meines Ministeriums gibt es schon eine ganze Reihe von Ideen, die Stück für Stück umgesetzt werden. Wichtig ist, dass wir junge Menschen dort abholen, wo sie sind, zum Beispiel in den sozialen Netzwerken und natürlich vor Ort. Mit dem Hackathon #ideenfuerdiejugend konnten junge Menschen im Herbst letzten Jahres selbst ihre Ideen, Projekte und Vorschläge einbringen. Ausgewählte Projekte werden aus einem Jugendbudget in Höhe von 1 Million Euro finanziert.
Wichtig ist mir auch die Chancengerechtigkeit für alle Kinder und Jugendlichen. Manche jungen Menschen haben es schwerer als andere. Diese müssen wir besonders unterstützen. Bayern hat schon heute das im Bundesvergleich beste Netz in der Jugendsozialarbeit. Die Jugendsozialarbeit an Schulen und Qualifizierungs- und Ausbildungsprojekte im Rahmen der arbeitsweltbezogenen Jugendsozialarbeit bauen wir weiter aus. Unser Ziel ist es, dass alle jungen Menschen ihr Leben meistern, in der Schule erfolgreich sind und am Arbeitsmarkt Fuß fassen. Hierbei helfen zum Beispiel auch die Ausbildungsakquisiteure – eine Initiative des Sozialministeriums. Sie begleiten junge Menschen bei ihrer Entscheidung, welche Ausbildung zu ihnen passt, beraten und unterstützen.
Welche Themen möchten Sie in den nächsten Monaten verstärkt angehen?
Wir stehen aufgrund der aktuellen Geschehnisse vor vielfältigen Herausforderungen: Die Folgen der Corona-Pandemie zum einen und zum anderen der schreckliche Krieg in der Ukraine.
Natürlich muss unser Fokus weiterhin auf den Familien, Kindern und Jugendlichen liegen. Diese müssen wir wo nur möglich unterstützen. Während der Pandemie, speziell während des Lockdowns, sind viele an ihre Grenzen gestoßen. Mit unseren Hilfsangeboten stehen wir den Familien generationsübergreifend in Bayern zur Seite.
Eine Herzensangelegenheit ist mir als Sozialministerin und Vorsitzende der Frauen-Union natürlich die Frauenpolitik. Die Gleichstellung der Geschlechter muss weiter vorangetrieben werden. Nach wie vor existiert eine Lohnlücke: Frauen müssen für die gleiche Arbeit genauso entlohnt werden wie männliche Kollegen. Denn Talent kennt kein Geschlecht. Weiter müssen wir dafür sorgen, dass Familie und Beruf gut miteinander vereinbar sind. Hierfür ist eine verlässliche Kinderbetreuung der Schlüssel. Wir sind auf einem guten Weg, dürfen hier aber keinesfalls lockerlassen!
Neben dem Kita-Ausbau sind wir in Bayern auch den Ausbau von Hortplätzen angegangen. Noch bevor der Bund den Rechtsanspruch auf die Ganztagsbetreuung für Grundschulkinder beschlossen hat, haben wir bereits vorausschauend 10.000 zusätzliche Hortplätze auf den Weg gebracht.
Wichtige Anliegen sind außerdem die Themen Arbeitsmarkt und Arbeitswelt. Die Arbeitswelt befindet sich im Wandel. Aspekte wie Fachkräftegewinnung und Digitalisierung sind entscheidend für die zukünftige Entwicklung der Arbeitswelt in Bayern.
„Wir“ – das ist der Themenschwerpunkt unseres Magazins: Was braucht es für ein gutes Miteinander in der Gesellschaft?
Zusammenhalt in der Gesellschaft ist wichtiger denn je. Gerade in Krisenzeiten zeigt sich aber auf beeindruckende Art und Weise, wie nah die Menschen in Bayern zusammenstehen! Das sehen wir im Moment auch deutlich an der Hilfsbereitschaft und Solidarität mit den Menschen in der Ukraine – das ist überwältigend und macht mich stolz.
Gutes Miteinander in der Gesellschaft setzt einen starken Zusammenhalt voraus. Soziales Miteinander braucht Offenheit für mein Gegenüber, Toleranz, Wertschätzung, aber auch das standhafte Einstehen für Werte.
Wenn die Generationen – also wir alle – zusammenhalten und zusammenstehen, dann können wir auch gesellschaftliche Entwicklungen, wie den demografischen Wandel, die Digitalisierung oder die zunehmende räumliche Distanz zwischen Familienmitgliedern, positiv gestalten. Ein wertschätzender und respektvoller Umgang miteinander ist dafür die beste Grundlage.
Gibt es ein Motto, das Sie bei Ihrer Arbeit begleitet?
Als Ministerin für Familie, Arbeit und Soziales stehe ich dem Ministerium des Zusammenhalts und der aktiven Bürgerinnen und Bürger vor. In Bayern engagieren sich rund 40 Prozent der Menschen ehrenamtlich. Das zeigt eindrucksvoll: Die Menschen in Bayern packen an und bringen sich aktiv in unserer Gesellschaft ein.
Aktiv sein und zusammenhalten – das sind auf jeden Fall zwei Aspekte, die täglich in meine Arbeit einfließen: Dort anpacken, wo sich Herausforderungen auftun. Für meine Arbeit ist es außerdem wichtig, alle Teile der Gesellschaft im Blick zu haben. Nur so können wir gute Sozialpolitik gestalten.