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Tradition in Bayern
Bock auf Brauchtum

Bayerische Trachtenjugend

 

Magdalena, 12 Jahre, sitzt auf einem Holzstuhl im Trachtenkulturzentrum Holzhausen, einem ehemaligen Pfarrhof aus dem 18. Jahrhundert. Hinter ihr steht ihre Schwester Franziska, 14, und hält mit angestrengtem Blick ein paar Haarsträhnen von Magdalena zwischen den Fingern. Gleich zeigt die Kursleiterin, wie sie die selbst gebastelten Perlenhaarnadeln feststecken muss, damit die Trachtenfrisur ihrer kleinen Schwester perfekt sitzt. Keine zehn Minuten später präsentiert Magdalena stolz ihre Flechtfrisur, die sie gleich bei der nächsten Dult ausprobieren wird.

Magdalena und Franziska sind Mitglieder der Bayerischen Trachtenjugend und verbringen vier Tage ihrer Sommerferien bei den Holzhausener Jugendtagen. Vier Tage, die ganz im Zeichen von Brauchtum und bayerischer Lebensart stehen. Insgesamt 130 Teenager im Alter zwischen 12 und 16 Jahren aus ganz Bayern sind dabei. In verschiedenen Projekten und Werkstätten können sich die Jugendlichen austoben und gleichzeitig alte Traditionen und Bräuche wiederentdecken: beim Brotbacken im originalgetreuen Holzbackofen, Käsen und Buttern, Schnitzen, Ratschenbauen oder Garteln. So werden die Gebräuche früherer Generationen wieder ganz lebendig. „Der Höhepunkt der Jugendtage ist der letzte Abend, wenn jeder die Sachen vorstellt, die er gemacht hat. Vor allen Teilnehmern führen die Jugendlichen dann ihre selbst geschriebenen Theaterstücke in bayerischem Dialekt auf, tragen die einstudierten Volkstänze und Volkslieder vor und präsentieren die gebastelten Samtbandl und Perlenhaarnadeln. Da sind alle immer ganz stolz drauf, was sie in den vier Tagen geleistet haben", erzählt Christian Kammerbauer, 49.

Kammerbauer ist Mitglied des Landesjugendausschusses der Bayerischen Trachtenjugend und verantwortlich für die Holzhausener Jugendtage. Er freut sich jedes Mal darüber, mit welcher Begeisterung die jungen Menschen bayerische Lieder singen und zu den Akkordeonklängen von Musiklehrer Markus Gromes schuhplattln. Die Holzhausener Jugendtage gibt es seit 2015. Der Ansturm ist enorm: „Die Rückmeldung ist sehr positiv. Das sieht man auch daran, dass viele Jugendliche bereits zum dritten Mal zu uns kommen. Dieses Jahr hatten wir sogar mehr Anmeldungen, als wir berücksichtigen konnten", so Kammerbauer. Betreut werden die Jugendlichen von 50 ehrenamtlichen Helfern. Übernachtet wird in großen Gruppenzelten.

Christian Kammerbauer ist es wichtig, dass die Jugendlichen in den vier Tagen möglichst viel über bayerisches Brauchtum mitnehmen: „Gemeinsam mit den Traditionen vermitteln wir den Kindern auch kulturelle Werte oder den respektvollen Umgang miteinander." Zum Beispiel auf dem so genannten „Brauchtumsweg", auf dem die Jugendlichen knifflige Aufgaben zum Thema Heimat und Brauchtum lösen müssen. An sechzehn Stationen erfahren sie, wie sich die bayerischen Traditionen in den verschiedenen Regierungsbezirken Bayerns unterscheiden, wie man einen Maibaum aufstellt oder welche Traditionen hinter den bayerischen Feiertagen stecken. Die Lösung schnell im Smartphone googeln? Fehlanzeige – die Teenager müssen sich vier Tage lang ohne Internet durchschlagen.

„Kann man ohne Bräuche überhaupt leben?", entgegnet Kammerbauer auf die Frage, ob Brauchtum heutzutage überhaupt noch zeitgemäß ist. „Bräuche haben sich aus der Gesellschaft heraus entwickelt. Sie sind heutzutage genauso wichtig, wie sie zu jeder Zeit waren. Bräuche geben Halt, sie festigen eine Gesellschaft, sie bereichern unser Land und bringen uns weiter.", so Kammerbauer. „Dabei ist Brauchtum nichts, was stehen bleibt. Bräuche verschwinden auch einmal, weil sie nicht mehr zeitgemäß sind, oder sie wandeln sich. Aber der Grundkern eines Brauchs wird immer bestehen bleiben. Und an den jungen Menschen hier sehe ich, dass Brauchtum einen wichtigen Teil ihrer Identität ausmacht."

Inzwischen ist es Abend geworden. Jetzt steht Volkstanz auf dem Programm. Für die Geschwister Magdalena und Franziska etwas ganz Besonderes während der Jugendtage: „Es ist schön, wenn man was mit Leuten im gleichen Alter machen kann. Und es ist spannend zu erfahren, was unsere Vorfahren früher gemacht haben. Solche Traditionen wie zum Beispiel die alten Volkstänze wollen wir wieder aufleben lassen." Magdalena und Franziska stehen sich in ihren Dirndln gegenüber und klatschen zu bayerischer Volksmusik in die Hände. Die Haare sind kunstvoll geflochten und mit Perlenhaarnadeln verziert. Ein selbstgemachtes Samtbandl ist um ihren Hals gebunden. Auf Kommando der Tanzleitung fegen sie über den Tanzboden. Mitglied im Trachtenverein und trotzdem cool sein – das ist für die beiden Mädchen selbstverständlich: „Im Verein lernen wir, die alten Traditionen unserer Eltern und Großeltern weiterzuführen und das zu schätzen, wo wir uns am wohlsten fühlen: unsere Heimat", so Magdalena und Franziska.

 

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Die Schwestern Magdalena und Franziska beim Flechten.
@CSU-Fraktion
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Christian Kammerbauer, Verantwortlicher der Holzhausener Jugendtage.
@CSU-Fraktion



Jugendschützen aus Niederbayern

 

Über Nachwuchsmangel braucht sich der niederbayerische Schützenverein Massing keine Sorgen zu machen. Zwölf Jugendliche im Alter zwischen 12 und 17 Jahren zählt der Verein mit seinen insgesamt 83 Mitgliedern. Einige Schützenvereine in Bayern haben eine lange Tradition, die bis ins Mittelalter zurückreicht. Die königlich privilegierte Feuerschützengesellschaft Massing ist einer davon.

Bereits 1348 gibt es erste Aufzeichnungen über ein Schützentum in Massing. Die erste Urkunde, die die Schützengesellschaft als „Püchsenschützen“ beschreibt, stammt aus dem Jahr 1561. Das königliche Privileg wurde den Schützen von Kurfürst Carl Theodor schließlich 1796 verliehen. Diese Auszeichnung unterscheidet den Massinger Verein von vielen anderen Schützen- und Sportvereinen. „Unser Ehrenschützenmeister führt fleißig Buch und hat aus den Archiven im Rathaus unsere Geschichte erforscht. In unserem Vereinsheim sind eines Tages alte Urkunden und Bücher aus dem frühen 19. Jahrhundert aufgetaucht. Vor ein paar Jahren haben wir unser 450-jähriges Gründungsjubiläum gefeiert. Das ist schon etwas ganz Besonderes“, betont Christoph Grob, erster Vorstand des Vereins.

Die ursprüngliche Aufgabe der Schützen bestand darin, Städte vor Plünderungen zu schützen. „Das ist heute natürlich anders“, erzählt Grob und lacht. „Ein wichtiger Bestandteil unseres Vereinslebens ist es, Gemeinschaft zu pflegen und die alten Traditionen aufrecht zu erhalten, zum Beispiel auf unserem alljährlichen Schützenball oder bei unserer Fahnenweihe.“

Dass eine königlich privilegierte Feuerschützengesellschaft Jugendliche anzieht, ist nicht selbstverständlich. Schützenvereine haben deutschlandweit mit Nachwuchssorgen zu kämpfen. Um mehr junge Menschen für den Schießsport zu gewinnen, nimmt der Verein deshalb am Ferienprogramm der Marktgemeinde Massing teil. Damit hat der Verein ins Schwarze getroffen. „21 Jugendliche haben sich für unser Ferienprogramm angemeldet. Damit hätten wir nicht gerechnet“, erzählt Grob. Sogar neun Mädchen haben bei dem Ferienprogramm mitgemacht. Fünf Stationen rund um das Thema „Schießen und Treffen“ hat der Verein für einen Nachmittag aufgebaut. Unter anderem konnten die Jugendlichen an einem Schießstand mit zwei Gewehren ihre Treffsicherheit auf den Prüfstand stellen. An einer anderen Station kamen Pfeil und Bogen zum Einsatz. „Ein rundum gelungener Tag, an dem wir sogar neue Mitglieder für unseren Verein gewinnen konnten“, so Grob.

Die Zahl der Jugendschützen variiert, da häufig neue Mitglieder dazu stoßen oder Jugendschützen die Altersgrenze von 18 Jahren überschreiten und damit offiziell zu den erwachsenen Schützen wechseln. „Nachwuchssorgen haben wir zum Glück keine. Viele Eltern unserer Jugendschützen sind ebenfalls Vereinsmitglieder. So haben die Kinder schon sehr früh Interesse am Schießen und am geselligen Zusammenleben in unserem Verein“, sagt Grob. Geschossen wird ausschließlich mit Luftgewehren. Außerdem besitzt der Verein ein Lichtgewehr. Das ermöglicht einen gefahrlosen Umgang mit der Waffe und nimmt den jungen Schützen und deren Eltern die Angst vor dem Schießen. Die Jugendlichen treffen sich ein bis zwei Mal pro Woche zum Schießtraining.

Für den Schießsport muss man einiges mitbringen: „Unsere Schützen müssen großes Verantwortungsbewusstsein zeigen. Hier gibt es kein Halligalli wie auf dem Bolzplatz. An unserem Schießstand herrscht Ruhe und Disziplin. Unsere Jugendlichen zeichnen sich durch ein hohes Maß an sportlichem Ehrgeiz aus. Bei den Wettbewerben geht es oft nur um einen Punkt, der über Gewinnen oder Verlieren entscheidet“, so Grob.

Die Jugendschützen nehmen in der königlich privilegierten Feuerschützengesellschaft eine besondere Stellung ein. Sie verschaffen den über mehrere Jahrhunderte gewachsenen Traditionen auch in Zukunft Geltung und füllen die uralten Brauchtümer mit neuem Leben. „Ohne Traditionen würde es unseren Verein in dieser Form als königlich privilegierten Verein nicht geben. Wir haben eine alte Schützenscheibe aus dem Jahr 1885 in unserem Vereinsheim an der Wand. Da hängen viele Geschichten dran. Es ist jetzt die Aufgabe der Jungen, die Traditionen der Schützen zu bewahren und die alte Schützenscheibe an ihrem angestammten Platz im Schützenhaus in Ehren zu halten.“

Als größten Erfolg in der Vereinsgeschichte bezeichnet Grob die Sportplakette des Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker, die 1988 durch den damaligen bayerischen Kultusminister Hans Zehetmair überreicht wurde. Ein großes Ziel hat die Feuerschützengesellschaft Massing trotzdem noch fest im Visier: „Ein großer Traum von uns ist es, eines Tages beim Trachten- und Schützenumzug des Oktoberfestes mitzumarschieren.“

 

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Die Jugendschützen nehmen in der königlich privilegierten Feuerschützengesellschaft eine besondere Stellung ein.
@Königlich Privilegierte Feuerschützengesellschaft Massing
Oliver Jörg zum Beitrag "Brauchtum"
Oliver Jörg, MdL
@Rolf Poss



Oliver Jörg, MdL

 

HERZKAMMER

Warum sind Traditionen wichtig?

OLIVER JÖRG

Durch die Weitergabe von Bräuchen, Festen oder Handwerkskünsten an die nächste Generation erhalten wir einen ganz wesentlichen Teil unseres Kulturerbes. Traditionen erzählen uns unsere Geschichte, aber wir entwickeln sie auch weiter. Das sorgt für Identität und Authentizität auch in einer globalisierten Welt.

HERZKAMMER

Welche Rolle spielt die kulturelle Identität fürs Heimatgefühl?

OLIVER JÖRG

Sie spielt eine besondere Rolle. Kultur vor Ort schafft Lebensqualität und stärkt die Verbundenheit mit der Region. Gemeinsame Feste und Rituale pflegen das Zusammengehörigkeitsgefühl und das Miteinander. So entsteht ein ganz besonderes, heimatliches Lebensgefühl.

HERZKAMMER

Was bedeutet Tradition für die alte und die junge Generation? Gibt es da unterschiedliche Auffassungen?

OLIVER JÖRG

Man merkt, dass gerade auch die jüngere Generation mit der Heimat sehr verbunden ist. Mit Tradition und Heimat verbinden alle Altersgruppen Orientierung, Sicherheit und Vertrautheit. Die jüngere Generation hat Spaß daran, Traditionen wieder zu entdecken und auch neu zu interpretieren – als Ausdruck von Unverwechselbarkeit und eigener Lebensart.

HERZKAMMER

Was macht Heimat für Sie persönlich aus?

OLIVER JÖRG

Familie, Freunde, die Weinberge Mainfrankens und die vielen Feste, Festivals und Veranstaltungen, wo man zusammenkommt. Und die kirchliche Verwurzelung ist wichtig.

HERZKAMMER

Was unternimmt die Politik, damit bayerische Kultur erhalten bleibt?

OLIVER JÖRG

Unsere wichtigste Aufgabe ist es, junge Menschen für unsere Kultur zu begeistern – beispielsweise indem wir die digitalen Möglichkeiten im Bereich von Kunst und Kultur fördern und so neue Erschließungswege eröffnen. Mit bavarikon haben wir ein Onlineportal geschaffen, das Kulturgut aller Sparten – Handschriften, Gemälde, Denkmäler und vieles mehr – zu jeder Zeit und kostenfrei erlebbar macht. Zudem fördern wir die Heimatpflege und unterstützen aus dem Kulturfonds jedes Jahr weit über hundert Kulturprojekte in ganz Bayern.

HERZKAMMER

Was liegt Ihnen in Ihrer Funktion als kulturpolitischer Sprecher der CSU-Fraktion besonders am Herzen?

OLIVER JÖRG

Die Stärkung der kulturellen Vielfalt in Bayern ist mir ein Herzensanliegen. Das bayerische Kulturkonzept folgt deshalb dem Gedanken, Leuchtturmprojekte zu fördern und gleichzeitig Impulse für Kunst und Kultur in allen Regionen Bayerns zu setzen. Dazu zählt etwa die Unterstützung der zahlreichen nichtstaatlichen Theater, Orchester und Museen, der Musikfestivals, der Sing- und Musikschulen oder des Denkmalschutzes.

 

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Peter Winter, MdL
@Rolf Poss



Peter Winter, MdL

 

HERZKAMMER

Heimat und kulturelle Identität – Wie hängt das zusammen?

PETER WINTER

Wenn ich Heimat als den Ort verstehe, wo ich meine Wurzeln habe und mich dort wohl und geborgen fühle, dann hängt das auch damit zusammen, dass Traditionen diese Region geprägt haben, gerade auch kulturell – den Dialekt, das Brauchtum, die Musik, die Werte, den Glauben. So hat jeder Ort seine eigene kulturelle Identität und diese hilft, dass ich mich dort verortet fühle.

HERZKAMMER

Haben junge Menschen eine andere Auffassung von Tradition als ihre Vorfahren?

PETER WINTER

Unterschiedliche Auffassungen gibt es sicher. Es wäre schlecht, wenn es diese nicht gäbe, denn die Welt entwickelt sich rasant immer weiter. Trotzdem lernen viele junge Leute alte Instrumente in unseren bayerischen Blaskapellen und sie spielen gerne die bekannte, altehrwürdige Blasmusik. Ich freue mich immer sehr, welche Freude sie dabei erleben und ausstrahlen.

HERZKAMMER

Sie sind seit 2008 Präsident des Bayerischen Blasmusikverbandes. Was macht traditionelle Trachten- und Musikvereine auch heute noch attraktiv?

PETER WINTER

Was diese Vereine heutzutage attraktiv macht, ist vielleicht genau das, was durch die rasante technische Entwicklung verloren zu gehen scheint: Der Blick auf die eigene Geschichte. Der Alltag zielt auf immer schneller, höher, weiter – nimmt aber vielleicht das Herz und die Seele nicht mit. Unsere Traditionsvereine bieten die Möglichkeit, Muse zu entwickeln, sprechen das Gefühl an und das Besinnen auf die Wurzeln.

HERZKAMMER

Worauf ist Ihre eigene Begeisterung für traditionelle Blasmusik zurückzuführen?

PETER WINTER

Ich liebe Musik! Und mir hat es als Kind gefallen, wenn die Blaskapelle auf den Dorffesten gespielt oder die Prozessionen der Kirche mit ihrer Musik begleitet hat. So habe ich das Trompete-Spielen erlernt. Außerdem ist es eine Musik, die in Gemeinschaft gespielt wird. Da macht das Musizieren doppelt so viel Spaß!

HERZKAMMER

Was bedeutet Heimat für Sie?

PETER WINTER

Als Spessarter möchte ich das mit dem Bild der Eiche vergleichen: Heimat ist die Wurzel. In Waldaschaff, meinem Geburts- und Wohnort, lebten schon meine Vorfahren. Hier ist meine Familie und hier leben viele Freunde. Hier tanke ich Kraft für meine Aufgaben. Vor allem durch die Verwurzelung in dieser Heimat konnte ich der werden, der ich heute bin.

Bildquelle Header: CSU-Fraktion