Erstaunlicherweise hat in Zeiten der Globalisierung, das heißt der Herstellung eines weltumspannenden Zusammenhangs, der Begriff der Heimat eine neue Attraktivität, ja Faszination gewonnen. Heimat stellt in der Grenzenlosigkeit des Globalen eine Beziehung zwischen Mensch und Raum her, in der der Einzelne in seinem Leben Sicherheit und Verlässlichkeit erfährt. Heimat ist der Lebensort, an dem man zuhause ist und sich zuhause fühlt, der verständlich und durchschaubar ist. Heimat wird gebildet von der Gemeinschaft mit anderen, in einer vertrauten Umgebung und in einer Tradition des Zusammenlebens. Hier werden die menschlichen Bedürfnisse nach Identität, Sicherheit und aktiver Lebensgestaltung in einer kulturell geprägten Umgebung befriedigt.
Politische Ordnung muss diesem menschlichen Urbedürfnis Rechnung tragen, wenn sie von Menschen akzeptiert und als legitim empfunden werden soll. Besonders in einer Zeit der globalen Entgrenzung kommt es darauf an, dem Einzelnen und den Gemeinschaften vor Ort den Raum zur eigenen Entfaltung zu sichern und ihnen gleichzeitig die Chance zur Mitgestaltung der darüber liegenden Entscheidungsebenen einzuräumen. Als geeignetes politisches Ordnungsprinzip bietet sich dafür der Grundsatz der Subsidiarität an, wonach die höhere politische Ebene nur tätig werden darf, sofern und soweit die Ziele von Maßnahmen nicht von den jeweils darunter liegenden Ebenen in ausreichendem Maß erreicht werden können, sondern vielmehr auf der jeweils höheren Ebene besser zu erreichen sind. Mit diesem Grundsatz ist es generell möglich, hoheitliche Kompetenzen innerhalb von Staaten und in Staatengemeinschaften nicht nur sachadäquat, sondern auch menschengerecht zu verteilen.
Die Frage nach der sachgerechten Kompetenzverteilung stellte sich besonders im Rahmen des europäischen Einigungsprozesses, in dem mehr und mehr Aufgaben auf die europäische Ebene übertragen und damit auch Eingriffsrechte der EU nicht nur auf die mitgliedstaatliche Ebene, sondern auch auf die regionale, sprich Länder- und kommunale Ebene, verbunden wurden. Dabei war die Europäische Gemeinschaft bis zum Maastricht-Vertrag 1992 länderblind, das heißt zum Beispiel die deutschen Länder wurden als staatliche Einheiten vom EG-System gar nicht wahrgenommen. Noch weniger galt dies für die kommunale Selbstverwaltung. Erst mit der Schaffung des Ausschusses der Regionen, die ganz wesentlich auf den Freistaat Bayern und die CSU zurückgeht, wurde eine Interessenvertretung der regionalen und kommunalen Ebene in das Regelwerk des EG-Vertrages eingefügt.
Mit dem Maastricht-Vertrag war auch ein weiterer Fortschritt in der Entwicklung der Europäischen Union verbunden, nämlich die Einfügung des Subsidiaritätsprinzips, für die sich besonders die deutschen Länder, allen voran Bayern, stark gemacht haben. Aber erst die Fassung des Lissabon-Vertrages, der 2009 in Kraft getreten ist, hat mit dem sogenannten Subsidiaritätsfrühwarnsystem den Versuch unternommen, die Geltendmachung des Subsidiaritätsprinzips im politischen Prozess der EU zu operationalisieren. Auch wenn dieser Mechanismus als Schutz vor dem Zugriff Brüssels unzureichend ist, so bedeutet er doch einen Schritt in die richtige Richtung. Dabei soll nicht verschwiegen werden, dass die Berücksichtigung der Landesparlamente durch den Bundesrat entsprechend dem Protokoll Nr. 2 zum Lissabon-Vertrag bis heute praktisch nicht stattfindet. Als Konsequenz daraus ist der Bayerische Landtag auf Initiative der CSU-Fraktion seit einigen Jahren dazu übergegangen, seine Stellungnahmen zu Gesetzesvorschlägen und anderen Vorlagen der EU unmittelbar an die Europäische Kommission zu leiten. Und der Bayerische Landtag erhält überwiegend eine substantiierte Antwort, so dass inzwischen von einem regelrechten Dialog zwischen beiden Institutionen gesprochen werden kann. Dank der Intervention der CSU werden die diesbezüglichen Aktivitäten des Bayerischen Landtags nun auch im jährlichen Bericht der EU-Kommission über die Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und Verhältnismäßigkeit erwähnt. Zwar ist dieser Prozess der Durchsetzung des Subsidiaritätsprinzips ohne Zweifel mühsam und noch längst nicht an seinem Ende. Aber er bietet die Chance, dass die Europäische Union in ihrem Handeln die Eigenständigkeit der lokalen und regionalen Ebene und damit den politischen Handlungsspielraum für Heimat respektiert.