Interview mit Ministerpräsident Dr. Markus Söder
Warum braucht Bayern eine Hightech Agenda?
Bayern ist das Land für Spitzenforschung und Hightech. Aber darauf dürfen wir uns nicht ausruhen. In der Welt gibt es gerade einen enormen technologischen Wettlauf. Zusätzlich hat Corona die Wirtschaft fundamental erschüttert. Wer jetzt stehen bleibt, fällt zurück. China, USA, Großbritannien, Dänemark, Frankreich und Israel setzen alle auf KI und Digitalisierung. Wir Bayern wollen dabei Schritt halten. Wir starten mit der Hightech Agenda den Forschungsturbo, damit wir auch in zehn Jahren weiter mit an der Spitze stehen.
Wie sieht die Hightech Agenda aus?
Unser Wohlstand von morgen beruht auf Investition und Innovation von heute. Deshalb investiert Bayern insgesamt 3,5 Milliarden Euro: Mit 1.000 neuen Professuren, 13.000 neuen Studienplätzen und 100 KI-Lehrstühlen im ganzen Land bauen wir unsere Spitzenstellung in der Forschung weiter aus. Das ist eine bundesweit einzigartige Technologieoffensive. Die klügsten Köpfe sollen in Bayern forschen und lehren. Dazu unterstützen wir den Mittelstand bei der digitalen Transformation. Wir machen unsere Wirtschaft ein Stück weit krisenfester und unabhängiger von Konjunkturschwankungen. Es geht jetzt um den entscheidenden Sprung, der langfristig Arbeitsplätze sichern kann. Auch gewaltige Herausforderungen wie den Klimawandel können wir nur durch Fortschritt lösen und nicht in erster Linie durch Verzicht.
Bayern hat jetzt den Hightech Turbo eingeschaltet. Warum?
Kurz nach dem Start der Hightech Agenda hat das Corona-Virus die Welt überrollt. Unsere Wirtschaft in Bayern trifft das Virus wegen unserer starken Exportorientierung besonders hart. Deshalb halten wir mit aller Kraft dagegen. Wir beschleunigen Maßnahmen, ziehen Projekte vor und bringen neue Initiativen auf den Weg. Die Hightech Agenda Plus umfasst rund 900 Millionen Euro in den Jahren 2021 und 2022. Sie ist ein eigenes bayerisches Konjunkturpaket.
Wer profitiert davon?
Wir geben ganz Bayern einen Impuls, um schnell wieder in Fahrt zu kommen. Damit wollen wir besser aus der Krise kommen als andere. Die Ballungszentren und der ländliche Raum profitieren gleichermaßen. Wir wollen allen einen spürbaren Schwung geben – vom innovativen Start-up über unseren starken Mittelstand bis zum Global Player. Bayern investiert in Quantentechnologie und CleanTech, den Mobilfunk der Zukunft, Additive Fertigung, Wasserstoff und Luftfahrt. Mit der Hightech Agenda Plus wollen wir in ein neues Zeitalter der Wissenschaft gehen. Sie ist unser Spirit für digitale Spitzenforschung überall in Bayern.
Wie sieht das konkret aus?
Wir bauen bayernweite Forschungsnetzwerke in allen Regionen auf. Im Unterschied zu anderen Ländern werfen wir zum Beispiel unser KI-Netz wirklich flächendeckend aus: Neben einem Zentrum in München schaffen wir Knotenpunkte im gesamten Freistaat – ob in Erlangen, Würzburg oder Ingolstadt. Weitere Universitäten und Hochschulen werden den KI-District wie ein Computer-Rechennetzwerk ergänzen. Allein das gibt einen Riesenschub an Innovationen. Lehre und Forschung dürfen sich eben nicht nur auf München begrenzen. Insgesamt richten wir 100 KI-Lehrstühle in ganz Bayern ein. Damit machen wir allein so viel wie der Bund für ganz Deutschland. Das ist unsere Art nachhaltiger Landesentwicklung.
Was ist das Faszinierende an Hightech und Künstlicher Intelligenz?
KI wird einen Schub auslösen wie einstmals die Dampfmaschine. Sie kann eine Tür aufstoßen zu völlig neuen Dimensionen von Wissen und zu bislang ungeahnten Anwendungen. KI ist mehr als ein Smartphone mit Spracherkennung. Überall liegen Chancen: ob in der Medizin oder der Automobilität, in der Pflege oder der Industrie. Der Entwicklungsschub ist in vollem Gange. Wir wollen dabei sein. Bayerns Mittelstand soll das Wissen von morgen in die Technik von übermorgen umsetzen.
Muss die Politik der Technologie auch Grenzen setzen?
Wie jeder technische Fortschritt wird auch die Künstliche Intelligenz das Leben am Ende besser, sicherer und interessanter machen. Davon bin ich fest überzeugt. Wir brauchen keine Angst vor KI haben. Es geht nicht darum, Menschen zu ersetzen. Es geht um die Verbesserung der Technik, damit sie uns unterstützen kann. Ohne natürliche Intelligenz kann es keine Künstliche Intelligenz geben. Natürlich spielt die Ethik bei alldem eine große Rolle. Deshalb diskutieren wir ganz bewusst an den Universitäten auch die ethischen Fragen der Forschung. Zum Beispiel an der neuen Technischen Universität Nürnberg: Dort setzen wir mit unserem einzigartigen Konzept nicht nur auf digitales Lernen und interdisziplinäre Forschung. Wir stellen auch die ethischen Fragen der Forschung in den Mittelpunkt. Für diesen ganzheitlichen Ansatz werden wir oft gelobt.
Der technologische Fortschritt verwandelt auch die Gesellschaft, in der wir leben. Inwieweit muss die Politik die Menschen vorbereiten?
Hightech und Digitalisierung bedeuten das Bohren dickster Bretter. Es gibt in Deutschland viel zu tun. Zehn Jahre des Wachstums haben den ein oder anderen etwas satt gemacht. Die Corona-Pandemie zeigt uns aber leider gerade mit aller Wucht, dass Erfolg keineswegs selbstverständlich ist. Wir müssen weiter Lust auf Fortschritt entfachen und in vielen Bereichen wieder schneller werden: bei Genehmigungsverfahren für den Bau von Ladesäulen und Stromleitungen, für Energieanlagen und Funkmasten. Auch bei der Digitalisierung gibt es noch viel zu tun. Es nützt nichts, sich zurückzuziehen und alles zu blockieren. Wir werden den technologischen Fortschritt nicht aufhalten, aber wir können ihn mitgestalten. Diese einmalige Chance sollten wir nutzen.
Welche Bereiche betrifft das?
Digitalisierung durchdringt alle Lebensbereiche. Schule und Bildung genauso wie Wirtschaft und Verwaltung oder Freizeit und Unterhaltung. Vieles ist inzwischen möglich, Stichwort Homeoffice. Es gibt aber auch noch viel zu tun. Beispiel Verwaltung: Wir brauchen einen disruptiven Schub in unseren Behörden. Wir müssen digitaler und zugleich bürgernäher werden. Vom Elterngeld bis zur Firmenanmeldung sollen Leistungen rund um die Uhr per App möglich werden. Unsere Digitalministerin Judith Gerlach geht das kraftvoll an.