Auf dem Gebiet der ehemaligen Prinz-Eugen-Kaserne im Münchner Osten entsteht seit 2016 ein neues Wohnquartier. Die Besonderheit: Die im Prinz Eugen Park aktiven Wohnungsgesellschaften, Wohnbaugenossenschaften, Baugemeinschaften, Bauträger und die israelitische Kultusgemeinde haben sich zu einem Konsortium zusammengeschlossen – mit dem Ziel, ein lebendiges und lebenswertes Quartier zu entwickeln. Auf dem 30 Hektar großen Gelände sind etwa 1.800 Wohnungen geplant, fast 600 Wohnungen als ökologische Mustersiedlung. Aktuell wohnen rund 4.000 Menschen im Prinz Eugen Park.
Dass das Viertel nicht nur baulich, sondern auch menschlich zusammenwächst und eine lebendige Nachbarschaft entsteht – dafür sorgen engagierte Bewohnerinnen und Bewohner. Sie begleiten das Viertel seit Beginn der Planungen und machen den Wohnraum im Viertel zu einem echten „Lebens“-Raum.
Die Quartiersmanagerinnen des Prinz Eugen Parks, Lisa Schäfer und Mara Roth, empfangen uns in der Quartierszentrale am Maria-Nindl-Platz. Hier ist die zentrale Anlaufstelle des Neubauprojekts.
Bewohner des Viertels können sich dort über aktuelle Projekte oder den Stand von Baumaßnahmen informieren, Anliegen und eigene Ideen einbringen, Lastenräder leihen und gleich noch einen Kaffee oder Tee trinken. Der Concierge-Desk geht direkt über ins Quartierscafé, das ebenfalls von der Quartierszentrale betrieben wird. Zudem vermitteln Lisa Schäfer und Mara Roth die zentralen Gemeinschaftsräume, Gästeapartments und Co-Working-Spaces im Quartier. „Egal welche Fragen man hat, wir helfen selbst oder vermitteln die richtigen Ansprechpartner“, so Lisa Schäfer.
Das Motto der Neubausiedlung „Aus dem Quartier für das Quartier“ springt beim Betreten des Cafés gleich ins Auge. Ein buntes Graffiti ziert eine Wand, uns fallen die Lampen auf, die aus Körben gemacht sind. „Wir haben einen Aufruf an die Jugendlichen im Quartier gestartet, unsere Wand im Café zu gestalten. Daraus ist das tolle Graffiti-Werk entstanden“, sagt Lisa Schäfer. „Die Stühle wurden von Bewohnern des Viertels aufgearbeitet und wir haben um Korbspenden gebeten, um die Lampen zu basteln.“ Wenn Lisa Schäfer eine Mail an die Bewohner des Quartiers schreibt, etwa um Mithilfe für ein Projekt zu organisieren, so erhalten auf einen Schlag 850 Bewohner des Viertels die Info via Newsletter. Gemeinsam ist Vieles möglich – dieses Prinzip geht hier auf.
Bei vielen Häusern stand bereits in der Planungsphase fest, wer einziehen wird. Das haben die Bewohner genutzt, um sich schon frühzeitig zu vernetzen. Auch Mara Roth und Lisa Schäfer haben sich so kennengelernt. „In der Regel wird ein neues Wohngebiet fertig gebaut, erst dann bewirbt sich ein Träger für einen Nachbarschaftstreff. Bei uns ist das anders: Wir wohnen alle selbst hier und haben den Prozess und die Entstehung des Quartiers von Anfang an mitbegleitet“, erzählt Mara Roth.
Mit einem regelmäßigen Stammtisch und einem Newsletter hat alles angefangen. „Dann sind wir Stück für Stück mitgewachsen, baulich, von der Bewohnerzahl und auch wir im Team sind gewachsen. Man kannte uns einfach und wusste, dass wir als Ansprechpartner da sind.“
Die Idee eines professionellen Quartiermanagements, das sich um die Vernetzung der Nachbarschaft kümmern soll, gab es von Anfang an. Aus dem Arbeitskreis Quartiersorganisation wurde im Sommer 2018 die Genossenschaft für Quartiersorganisation, kurz GeQo eG, die seit Januar 2019 vom Sozialreferat der Stadt München bezuschusst wird.
Im Prinz Eugen Park geht es lebendig zu: Es gibt zahlreiche Angebote, Dienstleistungen und gemeinschaftliche Projekte – vom Gemüseanbau auf dem Dach über Kinderkino und Krabbelgruppe bis hin zum Verschenk-Regal, in dem Bewohnerinnen und Bewohner Dinge finden, die andere weitergeben möchten. Seit kurzem gibt es im Café GeQo auch quartierseigenen Honig zu kaufen – von einem Bewohner, der auf seinem Dachgarten einen eigenen Bienenstock hält.
Die ersten Arbeitskreise des Quartiers wurden ebenfalls schon gegründet, lange bevor eine Person im Viertel gewohnt hat. „Älter werden im Quartier“ ist einer davon. Anni Kammerlander ist dort aktiv. Vor ein paar Jahren wohnte sie noch in Haidhausen, hatte viele gute Bekannte in der Nachbarschaft. Dann wurden die Wohnungen zu groß, etwas Neues in dem beliebten Viertel zu kaufen, war zu teuer. Dass man zusammenbleiben und sich im Alter gegenseitig unterstützen möchte, gab schließlich den Ausschlag, aus dem lieb gewonnenen Viertel wegzuziehen und sich im Prinz Eugen Park für ein gemeinschaftliches Wohnprojekt zu bewerben. Es hat geklappt: Anni Kammerlander wohnt jetzt in einer WG, sie hat – wie ihre Mitbewohnerinnen und Mitbewohner – eine eigene Wohnung, gleichzeitig gibt es Räume, die gemeinschaftlich genutzt werden. Sogar einen Vertrag für die gegenseitige Unterstützung im Alter gibt es. „Unsere Art zu Wohnen ist ideal, um nicht allein zu Hause zu sitzen oder nicht gleich in ein betreutes Wohnen oder Altenheim zu müssen“, so Kammerlander. Im Arbeitskreis gehe es darum, gemeinsam aktiv zu bleiben und sich zu unterstützen. Die Mitglieder organisieren Veranstaltungen und Vorträge, man trifft sich zu Spaziergängen, zum Sport oder Konzertbesuch: „Während Corona mussten viele Aktionen ruhen und es haben sich leider auch einige der Aktiven zurückgezogen. Es wird jetzt spannend, wie wir das wiederbeleben können.“ Sie hofft, dass auch das Seniorenfrühstück im Café bald wieder stattfinden kann.
Insgesamt gibt es im Viertel zehn Arbeitskreise. Dort engagieren sich die Bewohner zum Beispiel für Kinder, Ökologie, Kunst und Kultur, oder schreiben mit am quartierseigenen Magazin „prinzenpost“. Auch einen AK Mobilität gibt es im Viertel. Das Thema wird hier großgeschrieben. Eine Idee des Quartiers: den privaten PKW ein Stück weit verzichtbar machen. In der Quartierszentrale können deshalb seit ein paar Monaten alle Bewohnerinnen und Bewohner des Quartiers und der Umgebung Lastenräder zu günstigen Konditionen leihen. Ein wichtiges Thema ist auch das Stellplatzmanagement im Viertel. Um zu verhindern, dass oberirdisch zu viel wild geparkt wird, will man Angebot und Nachfrage bei den Tiefgaragenstellplätzen des Areals mit Hilfe einer Stellplatzbörse besser zusammenbringen. Mobilität und Infrastruktur ist auch für die älteren Menschen im Quartier ein Thema. Anni Kammerlander wünscht sich noch mehr öffentliche Anbindung ans Viertel und auch das ein oder andere kleine Geschäft für den Alltagsbedarf, wie zum Beispiel einen Schuster.
Auf ein zentrales Element der Vernetzung im Viertel ist Quartiersmanagerin Mara Roth besonders stolz: den Quartiersrat. Er ist die Interessenvertretung der Bewohnerinnen und Bewohner des Quartiers. Ein bis zwei Sprecherinnen oder Sprecher aus den Häusern, Vertreter der Arbeitskreise und der GeQo eG kommen alle 6 bis 8 Wochen zusammen und behandeln aktuelle Themen des Prinz Eugen Parks. Der Quartiersrat versteht sich als Informationsschnittstelle, Meinungsplattform und bietet den Menschen im Wohnviertel die Möglichkeit, sich über ihre Ideen und Anliegen auszutauschen. In dieser Funktion vertritt er die Interessen und Positionen der Bewohnerschaft auch gegenüber anderen Akteuren außerhalb des Prinz Eugen Parks, beispielsweise dem Bezirksausschuss oder städtischen Referaten. „Der Quartiersrat ist ein zentrales Element unserer Vernetzungsstruktur und eine ideale Möglichkeit, Informationen sehr breit zu streuen. Wir kriegen mit, welche Themen gerade in den Häusern relevant sind und umgekehrt tragen die Haussprecher unsere Themen zu den Bewohnerinnen und Bewohnern“, so Mara Roth.
Wo viele Menschen auf einem Areal zusammenleben, gibt es aber natürlich nicht nur eitel Sonnenschein. Reibungen und Konflikte gehören zum Zusammenleben dazu – auch im Prinz Eugen Park. „Natürlich gibt es hier wie in jeder anderen Nachbarschaft auch hin und wieder Konflikte, etwa wenn
Kinder lauter spielen und es Nachbarn gibt, die es gerne ruhiger mögen“, so Lisa Schäfer. Für solche Fälle soll es künftig Unterstützung im Viertel geben. Eine Mediatorin bildet einige Bewohnerinnen und Bewohner des Quartiers zu Konfliktlotsen aus. Mara Roth: „Wenn es irgendwo hakt, sollen die Konfliktlotsen künftig zum Einsatz kommen. Sie sprechen als neutrale Personen mit den Beteiligten. Meistens lässt sich im gemeinsamen Gespräch einiges klären, und zwar bevor es zu einem großen Konflikt kommt.“
Den beiden Quartiersmanagerinnen merkt man an, dass sie gerne im und für ihr Viertel leben. „Ein besonderes Highlight ist für mich der Tag des offenen Quartiers, der 2018 und 2019 schon zweimal gefeiert werden konnte, aufgrund von Corona aber nun leider im vergangenen Jahr entfallen musste. 2018 war hier noch alles im Entstehen, da haben wir das Kuchenbuffet am Bauzaun entlang aufgebaut. Es gab Live-Musik, die Arbeitskreise haben sich präsentiert“, antwortet Lisa Schäfer auf die Frage nach ihrem Lieblingsprojekt. 700 Menschen kamen zum ersten Fest, im zweiten Jahr waren es schon 1.300 Gäste. „Auch viele aus der Nachbarschaft des Quartiers waren da. Das freut uns besonders, denn wir wollen den Prinz Eugen Park nicht als isolierte Einheit betrachten, sondern als Neubauquartier, das sich gut einfügt in die Nachbarschaft.“
Am Ende unseres Gesprächs duftet es schon im GeQo Café. Solange wegen Corona noch keine Gäste kommen können, gibt es mittags ein Gericht zum Mitnehmen. Viele, die derzeit im Homeoffice arbeiten, nutzen dieses Angebot gerne. Auf dem Vorplatz der Quartierszentrale laufen die Straßenbauarbeiten. Das Viertel wächst und wird größer. Es ist ein besonderer Platz in einer Großstadt wie München. Es ist nicht einfach nur ein neues Wohngebiet, sondern ein echtes Zuhause.
Warum leben Sie gerne im PEP? - Stimmen von Bewohnerinnen:
Susanne Wriedt
„Ich wohne gerne im Prinz Eugen Park, weil es ein lebendiges und buntes Miteinander ist, weil es darum geht, gemeinsam etwas Größeres hervorzubringen, weil es nicht nur um Wohnen geht, sondern um Nachhaltigkeit, Ökologie und Zukunft.“
Gertrud Bobach
„Ich wohne unglaublich gerne hier und frage mich immer wieder: Warum eigentlich? Baustellen ohne Ende, Krach, Staub, Lärm, Slalom fahren mit dem Fahrrad zwischen Baustellen-autos. Zweifellos keine idyllische Situation. Und das macht nicht das Geringste aus. Ein morgendlicher Spaziergang zum Papiermüll und ich habe schon mindestens dreimal ein paar freundliche Worte mit Nach-barinnen und Nachbarn gewechselt. Bei der Rückkehr von Besorgungen ergeben sich hier und dort Gespräche, es gibt Kuchen zum Probieren, eine junge Frau fragt, ob sie weiter Deutschunterricht bekommen kann, vor der Wohnungstür liegen Zeitungsartikel mit handschriftlichen Anmerkungen für Leseempfehlungen. Nichts ist perfekt hier, denn alles ist im Werden, im Entstehen begriffen und lässt Raum für Gestalten und Entdeckungen. Überall Menschen, denen etwas an Gemeinschaft liegt, die gut miteinander leben wollen. Jeder Tag bringt Begegnungen und neue Eindrücke. Und rundherum Bäume, Natur, Isarauen. Vielleicht doch perfekt.“