Vor Ort
Für eine lebendige Dorfmitte

Die Ballungsräume wachsen und auf dem Land stehen immer mehr Häuser leer – eine Entwicklung, die vielen Kommunen Sorge bereitet. Im unterfränkischen Hofheim hat ein engagierter Bürgermeister den Leerstand zur Chefsache gemacht. Die einst verlassenen Ortskerne sind jetzt eine Smart-City-Region mit Reparaturcafé und regem sozialen Dorfleben. Wie hat er das geschafft?

Die Anfragen kommen aus ganz Bayern, aber auch aus Düsseldorf, Stuttgart, Bremen oder Berlin. „Das hat extrem zugenommen“, erzählt Philipp Lurz, Manager der Hofheimer Allianz, zu der sich sieben Kommunen rund um Hofheim im Landkreis Haßberge zusammengeschlossen haben. „Wir sind keine Abwanderungsregion mehr und ich glaube, ganz langsam vollzieht sich insgesamt ein Wandel, dass das Leben auf dem Land wieder attraktiv wird.“ Vor 15 Jahren sah die Situation in der Region, die an Thüringen grenzt, noch ganz anders aus: In den Ortskernen standen viele der alten, teilweise schon stark verfallenen Häuser leer.

Kräfte bündeln und dagegenhalten



Wolfgang Borst (CSU), Bürgermeister von Hofheim, hat sich des Themas angenommen und es zur Chefsache gemacht. Er stoppte die Ausweisung von Neubaugebieten und wurde selbst ehrenamtlicher Immobilienmanager in seinem Ort: „Es gibt zwei Möglichkeiten: Entweder man akzeptiert es, dass der ländliche Raum ausblutet, so wie es die Demographen vorhergesagt haben. Oder man bündelt seine Kräfte und versucht dagegenzuhalten und die Räume so attraktiv zu gestalten, dass die Leute hier gerne wohnen oder auch wieder zurückkommen.“

In Hofheim und in den sieben Kommunen mit 53 Ortsteilen, die sich nach und nach zur Hofheimer Allianz zusammenschlossen, gibt es viel historisches Fachwerk. Zahlreiche Häuser sind denkmalgeschützt und ihre Sanierung entsprechend teuer. Doch das Bündnis unterstützt hier mit einem Förderpaket. Bis zu 10.000 Euro können für die Renovierung eines leerstehenden Hauses im Ortskern von den Gemeinden bezuschusst werden. Der Erhalt der Bausubstanz soll nicht mehr kosten als ein Neubau. Und wenn die Kaufinteressenten sich die Renovierung eines alten Hauses nicht zutrauen und eher zu einem Neubau tendieren, hilft die kostenlose Architektenberatung, wie eine Renovierung Schritt für Schritt geplant und umgesetzt werden kann. Finanziert wird diese Leistung von der Kommune und aus Mitteln der Städtebauförderung.

Jeden Leerstand wieder mit Leben füllen



340 Häuser haben Borst und seine Bürgermeister-Kollegen seit 2008 bereits verkauft – einige für gerade einmal 10.000 Euro. Doch trotz der steigenden Nachfrage weiß Bürgermeister Wolfgang Borst, dass man beim Thema Leerstand am Ball bleiben muss: „Leerstand ist immer problematisch. Wenn ein Haus leer steht, muss man auf jeden Fall verhindern, dass das Nachbarhaus auch noch leer wird. Denn wenn das dritte Haus in Folge leer steht, haben Sie überhaupt keine Chance mehr, hier wieder aktives Leerstandsmanagement zu betreiben oder die Leute zu motivieren.“ Um jeden Leerstand, der entsteht, sofort wieder mit Leben zu füllen, sind in den Kommunen der Allianz ehrenamtliche „Leerstandslotsen“ unterwegs – das sind meist Gemeinderäte oder Ortssprecher, die im Blick behalten, wenn ein Haus über längere Zeit verlassen wirkt.

Wenn Nachfragen aus anderen Kommunen oder sogar aus anderen Ländern kommen, warum in Hofheim das gelinge, woran viele andere Orte scheiterten, rät Philipp Lurz: „Wichtig ist, dass alle davon überzeugt sind, dass was passieren muss. Viele erkennen die Notwendigkeit jetzt erst, aber man muss solche Themen langfristig denken.“ Glücklicherweise sei er in Hofheim von Pragmatikern umgeben, freut er sich. Für Bürgermeister Wolfgang Borst sind Daten entscheidend. Da jede Region andere Voraussetzungen habe, sei es wichtig, Informationen über den aktuellen, aber auch über den kommenden Leerstand zu haben. Hilfreich sei auch die Flächenmanagement-Datenbank des Bayerischen Landesamtes für Umwelt, die jede Kommune downloaden könne. „Und dann gilt es natürlich, die Bürger zu überzeugen. Das heißt, diese Thematik muss bei jeder Bürgerversammlung angesprochen und diskutiert werden.“

Ein gutes Lebensumfeld entwickeln



Insgesamt 14.500 Menschen leben im Hofheimer Land auf einer Fläche etwa so groß wie der Großraum München. Neben den Themen Bauen und Leerstände verhindern und wiederbeleben geht es den Verantwortlichen auch darum, ein gutes Lebensumfeld zu schaffen, damit die Menschen dauerhaft bleiben und sich wohlfühlen. „Wir widmen uns nicht nur der Infrastruktur, sondern auch den Bürgern“, erklärt Allianz-Manager Lurz. Es gibt Ansprechpartner für Neuankömmlinge, eine Willkommenskultur, eine Bleibekultur. „Die Leute, die kommen, sollen sich auch wohlfühlen.“

Bild zum Beitag "Für eine lebendige Dorfmitte"
„Wir müssen die Räume so attraktiv gestalten, dass die Leute hier gerne wohnen oder auch wieder zurückkommen." Wolfgang Borst, Bürgermeister von Hofheim (rechts). Im Interkommunalen Bürgerzentrum der Gemeinde-Allianz laufen alle Fäden zusammen (links).
@Kerstin Brückner, Wolfgang Borst

Netzwerke zu knüpfen ist deshalb allen Verantwortlichen ein wichtiges Anliegen. Damit Alteingesessene und Neuankömmlinge zusammenfinden, gibt es bereits 15 Dorfgemeinschaftshäuser – fünf weitere sind in Planung. Hier können die Vereine aktiv werden und es wird gemeinsam gekocht, Sport gemacht und noch vieles mehr. Im Hofheimer Reparaturcafé freut sich ein Team aus Elektrofachleuten, ein Schreinermeister, Experten für Spielwaren und ein Nähmaschinenspezialist darauf, alten oder kaputten Gegenständen neues Leben einzuhauchen. Und im Interkommunalen Bürgerzentrum wird Kaffee und Kuchen gereicht. 

Rund zwei Millionen Euro wurden in den vergangenen Jahren in die Revitalisierung der Ortskerne investiert. Und welche Gedanken hat Wolfgang Borst, wenn er heute durch Hofheim und die umliegenden Gemeinden geht? „Ich freue mich über das wieder zurückgekehrte Leben. Das beweist, dass unsere Strategie der konsequenten Innenentwicklung aufgegangen ist. Wir haben uns von einer Wegzugs- zu einer Zuzugs-Region entwickelt und diese positive Entwicklung, mit all ihren Begleiterscheinungen, wollen wir kontinuierlich weiterführen.“

Bildquelle Header: Kerstin Brückner, Wolfgang Borst